Schräg Kulturführer Ruhr
Damit ihr euch im Revier zurecht findet, hier für euch der Service-Teil des „Schräg Kultverführer Ruhr“ (Herausgeber Henning Prinz, Klartext Verlag)
Reisezeit
Das Ruhrgebiet ist ein ganzjähriges Reiseziel. Das Klima wird durch einen atlantischen Einfluss beherrscht: Kühl-gemäßigte Sommer und mäßig-kalte Winter, hohe Luftfeuchtigkeit und starke Bewölkung. Die Winter sind zu lang, die Sommer und die Skihalle in Bottrop zu kurz.
Lage
Vor 150 Jahren verstand man unter „Ruhrgebiet“ nur das Land an der mittleren und unteren Ruhr. Der Name tauchte Ende des 18. Jahrhunderts zum ersten Mal auf, um 1830 war er bereits als fester Begriff in Büchern zu finden. Offiziell ist der Name Ruhrgebiet seit 1919 gebräuchlich, als er erstmals im Vertrag von Versailles verwendet wurde.
Das Ruhrgebiet liegt im Schnittpunkt des Rheinischen Schiefergebirges, der Westfälischen Tieflandebene und der Niederrheinischen Ebene. Im Süden reicht das Gebiet bis ins Bergische und Märkische Land mit den letzten Ausläufern des Steinkohlengebirges südlich der Ruhr. Nördlich der Ruhr schließen sich die Lößebenen der Hellwegzone und die Emscherniederung an. Im Norden des Lippetals geht das Ruhrgebiet in die Münsterländische Bucht über.
Oder anders: Eckpunkte sind im Nordosten Hamm und im Nordwesten Wesel, im Südwesten Duisburg und im Südosten Hagen. Im Allgemeinen sind die „Grenzen“ auf den 1920 gegründeten Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk zurückzuführen, dem heutigen Regionalverband Ruhr (RVR). Die größte Ausdehnung des Ruhrgebiets beträgt von Osten nach Westen 116 km und von Norden nach Süden 67 km. Die Entfernung zum Erdmittelpunkt beträgt etwa 6.370 km.
Einwohner
Mit 5,3 Millionen Menschen ist das Ruhrgebiet hinter London und Paris der drittgrößte Ballungsraum Europas und hat mehr als 3500 mal so viele Einwohner wie Gerdau in der Lüneburger Heide – allerdings nur dann, wenn man zu Gerdau auch die Ortsteile Bargfeld, Barnsen, Bohlsen, Groß Süstedt und Holthusen II dazurechnet, aber das ist ein anderes Thema.
Eine allgemein anerkannte Eigenbezeichnung der im Ruhrgebiet lebenden Menschen existiert nicht. Gelegentlich findet sich die Bezeichnung „Ruhri“, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das gesamte Ruhrgebiet als Heimatregion gemeint ist. Die Verwendung dieses Begriffs durch Außenstehende kann aber zu Irritationen führen oder gar als despektierlich empfunden werden.
Man sagt den Menschen im Ruhrgebiet nach, nicht besonders höflich, aber direkt zu sein. Das heißt, man kommt mit ihnen ins Gespräch, ob man will oder nicht „Gerne laden sie Auswärtige ein, zu kommen, um ihren Begriff von Schönheit zu erweitern“, schreibt der Kabarettist, Schriftsteller und Bochumer Frank Goosen. „Eine mittelalterliche Garnisonsstadt mit Fachwerkhäusern und Fürstenresidenzen schön finden, das kann jeder. Aber auf dem Gasometer in Oberhausen stehen, sich umgucken und sagen: Wat ‘ne geile Gegend – das muss man wollen.“
Anreise/Einreise
Durchfahren wäre kein Problem, wenn nur die Staus nicht wären. Aus allen Richtungen führen Autobahnen ins Revier, vor allem im Berufsverkehr geht dann nichts mehr. Stauliebhaber kommen vor allem auf der A40 auf ihre Kosten. Kenner schätzen etwa den Abschnitt zwischen Essen-Kray und Gelsenkirchen. Überhaupt ist das Ruhrgebiet durchzogen von Autobahnen und Eisenbahnlinien, Flüssen und Kanälen. Eine Stadt geht unbemerkt in eine andere über, nur dadurch zu unterscheiden, dass die geparkten Autos am Straßenrand unterschiedliche Autokennzeichen haben. Dableiben ist schwieriger als durchfahren: Parkplätze in den Städten sind Mangelware.
Das Ruhrgebiet selbst hat nur einen internationalen Flughafen: Dortmund Airport. Der Flughafen Düsseldorf ist zwar wichtigster Airport im Einzugsgebiet, aber Düsseldorf gehört bekanntlich nicht zum Ruhrgebiet. Verfechter einer „Ruhr-Stadt“ plädieren allerdings dafür, den Dortmunder Flughafen in „Ruhr-Ost“ und den Flughafen Düsseldorf in „Ruhr-West“ umzubenennen – aber nur unter der Voraussetzung, dass der Rest von Düsseldorf auf gar keinen Fall auch noch zur „Ruhr-Stadt“ gehört. Lassen Sie sich nicht erzählen, dass Weeze zu Düsseldorf oder gar dem Ruhrgebiet gehört. Weeze ist eigentlich schon fast Holland.
Die Ein- und Ausreise ins Ruhrgebiet ist zu jeder Uhrzeit gestattet und das sogar mehrmals täglich. Mitglieder des FC Bayern München benötigen bei Aufenthalten von mehr als 90 Minuten plus Nachspielzeit ein Visum.
Gesundheit
In den siebziger Jahren war die Ruhr klinisch tot, erstickt am industriellen Erfolg des Ruhrgebiets. Heute lebt der legendäre Fluss wieder und versorgt Millionen mit ungechlortem Trinkwasser. Impfungen sind daher nicht mehr vorgeschrieben.
Personen mit Mayo-Unverträglichkeit ist vom Verzehr von so genannten „Pommes rot-weiß“ abzuraten. Im Süden Dortmunds wird zur Malariaprophylaxe geraten: Hier befinden sich die tropischen Pflanzenschauhäuser des Botanischen Gartens Rombergpark.
Sicherheit
Vor dem Besuch der Stadt Dortmund in blau-weißer und der Stadt Gelsenkirchen in schwarz-gelber Kleidung wird eindringlich gewarnt.
Abgesehen davon wird Sicherheit im Ruhrgebiet groß geschrieben – im Gegensatz etwa zu Metropolen wie London oder New York, wo man safety immer noch klein schreibt.
Angelsachsen stoßen nicht nur auf orthografische Tücken. Das amerikanische State Department warnt seine Bürger vor allem vor den Risiken im Straßenverkehr. Die ungewohnte „high speed“ auf den „german autobahnen“ (die dort weder übersetzt noch groß geschrieben werden) berge ein hohes Unfallrisiko. Die Wahrheit über das Tempo auf Autobahnen des Ruhrgebiets ist natürlich eine andere. Was heißt „Stau“ auf Amerikanisch? Emscherschnellweg. Das britische Foreign Office warnt seine Bürger vor den wilden Ritten, vor allem vor denen am „Women’s Day“, an denen Frauen das Recht haben, Männern die Krawatte abzuschneiden. „Women’s Day“ sei am Donnerstag vor „Ash Wednesday“. Außerdem sei es „illegal and dangerous“ die Straße zu überqueren, wenn die Fußgängerampel rot zeigt. Auch dürfe man keine Rennen oder Ralleys auf deutschen Straßen fahren. Wie übersetzt man „inoffizielle Rennstrecke“ ins Englische? B1
Kleidung
Sollte getragen werden.
Währung
Trotz Strukturwandels sollte man auch im Ruhrgebiet immer genügend Kohle dabei haben. Seit 1999 ist die Mark nur noch 50 Cent wert: Die offizielle Währung ist der Euro. Alle gängigen Kreditkarten werden akzeptiert, in Dortmund warnt die Polizei jedoch vor dem Gebrauch der Knappenkarte, die nur auf Schalke gilt.
Elektrizität
Stromspannung und Steckdosen im Ruhrgebiet entsprechen denen in Deutschland, ein Adapter oder Mini-Kohlekraftwerk ist nicht notwendig.
Verkehr
Die öffentlichen Verkehrsmittel, so genannte Öffis, werden im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) betrieben. In einigen Städten gibt es U-Bahnen. Zwischen den Städten verkehren S-Bahnen und Regionalexpresse (RE) der Deutschen Bahn, es gibt ein einheitliches Tarifsystem. Die Frequenz der Verbindungen ist sehr hoch, ebenso wie die Verspätungsrate, auf die aber Verlass ist. Man kommt tagsüber alle 10 bis 20 Minuten fast überall hin, nach 23 Uhr allerdings nur noch schwer wieder zurück.
Tipp: Rechtzeitig zum Feierabend bietet sich Autofahrern und Naturliebhabern gleichermaßen die wunderbare Gelegenheit, bei Schrittgeschwindigkeit die bunten Schallschutzmauern auf der A 40 in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten. Um diese putzigen, lattenhaften Gesellen auf wissenschaftlicher Basis einordnen zu können, wurden sie vielerorts mittels Sprühdose markiert. Die dafür verantwortlichen freiwilligen Wildhüter bezeichnet man als „Sprayer“.
Einkaufen/Öffnungszeiten
Die Bude hat lange auf und die Tanke immer. Mehr brauchse nicht wissen.
Trinkgeld
In Restaurants geben Einheimische entweder gar kein Trinkgeld oder lediglich fünf Prozent. Von auswärtigen Gästen wird im Allgemeinen ein Trinkgeld von zehn Prozent erwartet, es fehlt jedoch eine verbindliche Regelung. Richten Sie sich mit Ihrem Trinkgeld nach Ihrer Zufriedenheit mit dem Essen und danach, für wie bedrohlich Sie das Verhalten der Servicekräfte empfinden.